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Sigi Nootz - ein Kommentar von Franz Joseph van der Grinten:

Wenn man seiner Veranlagung nach eher streng ist, ist deshalb das Spielfeld doch nicht kleiner. Gesetz und Freiheit bedingen einander. Das Leben hat seine Ordnung und lebt, weil es mit dieser spielt. Man könnte, als sei man völlig frei, sich in völliger Willkür bewegen, aber wenn man sich selbst ernst nimmt, wird man das nicht tun; Man ist sich selbst verantwortlich.


Kunst ist Leben. Und die Polarität, von der eben die Rede war, bestimmt ihre Gültigkeit wie ihre Spannung in jedem Werk.

 

Siegfried Nootz hat seine bildnerische Arbeit in den Rahmen weniger Regeln gesetzt, aber ihre strikte Befolgung schränkt ihn nicht ein, sondern setzt eher Vielfalt frei, die gerade aus der grundsätzlichen Selbstbeschränkung erwächst. Da sind die Farben aus der Fülle der Valeurs und Mischung zurückgeführt aufs Elementare, die drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau, ergänzt um die Abwesenheit aller Farbe, Schwarz und die sublimste Summe all dessen, was Farbe ist: Weiß. Und da dann, in der farblosen Grauzone, mögen Nuancen zugelassen sein. Da ist ihrerseits die linear-proportionale Ordnung: Der unsichtbare Halt der Komposition ist nicht bestimmt von den Mittelachsen, die die Gewichtigkeiten in Spiegelung aufheben würden, sondern von den Bemessungen des Goldenen Schnitts. Statt des Prinzips der Ausgleichung das der Spannung von Schwüngen, die auf der einen oder der anderen Seite oder gar im Wechsel den Umschwung an einer unsichtbar vorhandenen zwingenden Grenzlinie finden, aus der Mittelachse verschoben um ein Achtel der Länge oder Breite. Einerseits eine Farbgebung, die jede Zweideutigkeit ausschließt, andererseits eine proportionale Festlegung, die zwingende Einschränkungen nicht auferlegt. Der Bildraum ist leer und neutral. Die Farbflächen setzen die in sich ruhenden Akzente. Die Linien spielen ihre Freiheit aus: von der Markierung des Goldenen Schnitts am einen Rand des Bildfeldes schwingen sie ungehindert kurvig zu der umgekehrt proportionalen Markierung dieses besonderen Maßes am anderen, gegenüberliegenden Rand. Steht das Einzelbild in einer zusammengehörigen Reihe, so geht an diesem Punkt die Linie ins Nachbarfeld über.

 


Zwischen den beiden Grundgegebenheiten spielt sich ab, was das Lebendige des Bildes ausmacht. Seine Erregung wird aber in Verhaltenheit geborgen durch einen Austausch, der sich ins Spiel bringt. Das Verhalten der Farben zueinander hat seine eigene, kaum wahrgenommene Vibration, das, was man ihre Interaktion nennt, und das neutrale Weiß des Grundes reagiert komplementär zur jeweiligen Grundfarbe, was auch diese in ihren Randzonen kaum merklich verändert. Die Linien aber, die die Bildfläche bewegt durchkreuzen, haben die Breite von Wegen und werden selbst Träger einer oder der anderen Grundfarbe. Es gibt auch hier das Wechselspiel zwischen Flächen und Wegen.


Hinzu kommen die räumlichen Unterschiede, die Neigung, Wege reliefhaft zu vertiefen, Licht und Schatten längs der Böschungen und Abgrenzungen ins Spiel zu bringen. Das räumliche Zurücktreten dessen, was eigentlich in seinem Linienfluss aktiv ist, gibt dem, was flächig erscheinen soll, eine gesteigerte Präsenz, holt es gewissermaßen aus dem Grund hervor, dem es eigentlich angehört. Vielerlei innere Gespanntheit also in Werken, die Harmonie ausstrahlen.

Das wirkliche Spiel mit dem Raum hat den Blick des Künstlers geöffnet auf Materialien, die den bevorzugten Holzplatten variierend zur Seite treten mochten. Metallgitter etwa, die das Geschehen auf mehrere Ebenen zu verlegen erlaubten, oder die gesammelten vierkantigen Holzstäbe abgebrannter Raketen, die ohne Preisgabe der Strenge einen freieren Fluss der Richtungen ermöglichten wie bei abtreibenden Stämmen im Wildwasser, aber selbst bei sorgfältig nahtloser Reihung in die Fläche durch die Spuren ihrer bisherigen Existenz selbst so etwas wie Dramatik spüren lassen.

Am lebhaftesten bietet sich das Relief der tastenden Hand in der Graphik: Prägedrucke von Holzplatten, die das Bild in erhabenen und vertieften Partien empfangen haben und sich in eine extrem gesättigte Büttenmaische einpressen ließen, deren Eigencharakter im Trocknen eine bezwingend plastische, in ihrer rauhen Sensibilität dramatische körperhafte Präsenz behalten hat.


Erfgen, 9. IX. 2014
Franz Joseph van der Grinten